Einem geliebten Menschen die letzte Ehre zu erweisen, ist wohl für die meisten Familien der traurigste Anlass, mal wieder zusammenzukommen. Doch wird beim Totenkult in Jamaika eher lebhaft das Leben gefeiert, als die stillere Form der Trauer zelebriert, die wir hier so kennen. Einige der vielen jamaikanischen Bestattungstraditionen möchten wir in diesem Beitrag vorstellen. Nicht alle werden immer oder haargenau so auf der Karibikinsel praktiziert. Vor allem die Menschen im ländlichen Jamaika halten noch an den hergebrachten Bräuchen beim Tod eines nahen Angehörigen fest.
Bestattungsrituale und Trauerkult in Jamaika
Die Rituale nach dem Tod eines Menschen in Jamaika sind ein Mix aus christlichen und afrikanischen Traditionen. Sitten, die die jamaikanische Diaspora aus Amerika mitbringt, mischen zuweilen ebenfalls mit. Musik spielt auch nach dem Ableben eines Jamaikaners noch eine grosse Rolle, sie begleitet die Trauergemeinschaft durch die schwere Zeit des Abschiednehmens.
Zu den traditionellen Ereignissen nach dem Tod gehören in der Regel eine Kerzenzeremonie, die “Nine-Night”, die Grabaushebung, das Begräbnis selbst und eine Zusammenkunft nach dem Begräbnis, ähnlich dem “Leichenschmaus”. Üblich sind meist aufwändige Feste, die nicht nur innerhalb der Familie begangen werden, sondern offen für die gesamte Gemeinschaft sind.
Möbelrücken gegen böse Geister
Die Nine Nights bezeichneten früher einmal ein exaktes Zeitfenster zwischen dem Tod und der Beerdigung eines geliebten Menschen. Wir erzählen später, warum das heute nicht mehr so genau genommen wird. Die meisten Jamaikaner sind sich sicher, dass der Tod nicht das eigentliche Ende bedeutet. Viele glauben sogar, dass nach dem Tod zwei Seelen den Körper verlassen, von denen eine nach Afrika fliegt. Die andere aber müsse besänftigt werden, denn sie könne dem Glauben nach noch neun Nächte lang den Lebenden Böses antun.
Tatsächlich drehen sich viele Bestattungsrituale in Jamaika darum, die Geister der Verstorbenen zu beruhigen. Es wird angenommen, dass der Geist des Verstorbenen in der Nähe des Todesortes bleibt. Aus diesem Grund werden im Haus alle Spiegel umgedreht, damit Reflexionen des sogenannten «Duppy» auf lebende Personen keine weiteren Todesfälle zur Folge haben können. Möbel werden umgestellt, der Raum mit neuen Palmbesen ausgekehrt und die Matratze wird umgedreht. Man legt den Leichnam auch verkehrt herum ins Bett.
Das alles nur, damit der böse Teil der Seele des Verstorbenen verwirrt wird. Dessen Geist soll den Raum nicht erkennen, der ihn oder sie vielleicht dazu bringen würde zu bleiben, anstatt ins Jenseits zu reisen. Nachdem ein Mensch seinen letzten Atemzug getan hatte, wurde der Körper von nahen Verwandten gewaschen. Das Wasser hat man aufgefangen und später mit ins Grab gegossen. Das Totenbett kommt später, wenn ein Beerdigungsinstitut den Leichnam abgeholt hat, für drei Tage an die frische Luft.
Nine Night, Dead Yard, Set-Up – Totenwache auf Jamaikanische Art
In der neunten Nacht nach dem Tod des Verstorbenen veranstalten trauernde Familien in Jamaika dann die “Nine Night”. Früher verliefen diese Zusammenkünfte ruhig und zurückhaltend als Totenwache. In Vorzeiten wurde sogar noch getrommelt und rituelle Tänze wie der Dinki Mini aufgeführt. Die Kondolierenden beteten üblicherweise für die Trauerfamilie, es wurde gemeinsam gegessen und weisser Rum auf den Toten getrunken. Die Familien sangen miteinander und spielten Brettspiele. Während der Nine Night in Jamaika wurden und werden Geschichten über den Verstorbenen ausgetauscht, die oft auch eine Reise zurück in die guten und schlechten alten Zeiten sind.
Dies alles sollte mithelfen, den Geistern der Vorfahren des Verstorbenen zu helfen, dessen Duppy zur Ruhe zu bringen. Früher wurde in der Nine Night für den Duppy ein Tier geschlachtet, es wurde ein Tisch mit Speisen und Getränken für ihn eingerichtet, aber niemand durfte bis Mitternacht von diesem Tisch essen oder trinken. Wenn nach Mitternacht dann klar war, dass es der Duppy endlich von dieser Welt geschafft hat, tranken die Männer stark gesüssten Kaffee und die Frauen und Kinder bekamen Chaklit Tea- eine Art Kakao.
Doch hat sich wie Vieles auch der Totenkult in Jamaika in den letzten Dekaden verändert. Heutzutage ähneln diese Zusammenkünfte eher Partys, als Totenwachen. Es wird reichlich teures Essen, wie Oxtail oder Curry Goat mit Rice and Peas aufgefahren und auch der Rum fliesst in Strömen. Wer sich’s leisten kann, bucht eine Live-Band mit Sänger/in und man tanzt bis in die Morgenstunden. Zunehmend wird an Nine Nights und anderen Anlässen in Jamaika auch teurer Cognac – meistens Hennessy – getrunken, um den finanziellen Status nach aussen zu tragen. Eine Nine Night startet üblicherweise zwischen acht und zehn Uhr abends.
Grave Diggin(g) – In Jamaika heben Verwandte und Freunde das Grab aus
Wenn der Ort der Grablegung bestimmt ist, wird mit den Vorbereitungen für die Errichtung des Grabes begonnen. Das kann heutzutage entweder vor oder nach der Nine Night stattfinden. Besonders in ländlichen und abgelegenen Gegenden werden Angehörige im Familiengrab bestattet, welches sich auf dem eigenen Grundstück befindet. Diese Art, die geliebten Dahingeschiedenen zu bestatten erfolgt nicht nur aufgrund Ermangelung von erreichbaren Friedhöfen. Bereits die versklavten Afrikaner begruben ihre Toten in unmittelbarer Nähe, damit die Ahnen sie so beschützen sollten.
Die meisten Grave Digging in Jamaika finden über die Mittagszeit herum statt und werden ebenso wie die Nine Night oft von Musik, Essen und Trinken begleitet. Verwandte und Freunde kommen zum Ausheben und Bauen des Grabes zusammen. Manchmal ist eine Grabaushebung sogar besser besucht, als die Beerdigung selbst. Denn auch die vorbeikommende Gemeindemitglieder kondolieren der trauernden Familie und bieten Hilfe beim Ausheben des Grabes an. Man isst und trinkt gemeinsam und tauscht lustige Anekdoten um den Verstorbenen aus. Viele Veranstaltungen, die den Totenkult der Jamaikaner ausdrücken sind keine düsteren Ereignisse, sondern Gelegenheiten, sich zu freuen und das Leben zu feiern.
Es kann passieren, dass ihr spontan eine Einladung zur Nine Night oder zum Begräbnis in Jamaika bekommt. Das mag uns befremdlich erscheinen, besonders, wenn einem der Tote nicht nahe stand. Die Teilnahme an den Feierlichkeiten gilt in Jamaika jedoch als beste Weise, Beileid und Respekt vor dem Verblichenem auszudrücken.
Der Dresscode ist feierlich, es wird die beste Kleidung getragen. Schwarz dominiert besonders bei Familie und Freunden. Kinder tragen meist Weiss, was ihre Unschuld symbolisieren soll.
Beerdigungen in Jamaika – Interessantes zu Begräbnis und Grabbeigaben
Früher folgte der Totenkult in Jamaika festen Zeitfenstern, denn durch die Wärme war es wichtig, den Verstorbenen schnell unter die Erde zu kriegen. Verstorbene zu verbrennen war und ist unter Jamaikanern bis heute nicht wirklich üblich. Begräbnisse in Jamaika fanden darum am zehnten Tag nach dem Verscheiden statt. Das ist in modernen Zeiten nicht mehr nötig, da es gute Kühlmöglichkeiten gibt. Die meisten Beerdigungen heutzutage, insbesondere im ländlichen Jamaika, finden nicht sofort statt. Ein Grund dafür ist, dass man auch Familienmitgliedern aus dem Ausland das Abschiednehmen vom Verstorbenen ermöglichen möchte.
Ist der Tag der Bestattung gekommen, wird der Dahingeschiedene vom Bestattungsunternehmen zur Kirche überführt. Auch dieser Weg ist ein Ereignis und wird zelebriert, indem der blumengeschmückte Sarg – oft in einer transparenten Box – auf einem Anhänger durch die Gemeinde gefahren wird. Natürlich begleitet von den Autos derer, die an der Beerdigung teilnehmen und riesengrossen Musikboxen.
Zumeist wird der Verstorbene in einer Kirche aufgebahrt, wo die Angehörigen, Freunde und Nachbarn noch einmal von ihm Abschied nehmen können. Ein grossformatiges Bild des Entschlafenen sorgt dafür, dass man ihn in lebendiger Erinnerung behält. Blumengebinde aus roten oder weissen Rosen, Lilien oder Orchideen umrahmen die Zeremonie. Es wird natürlich gebetet und wieder viel gesungen, Angehörige und Freunde halten Reden über die oder den geliebte/n Verblichene/n. Auch die Geistlichkeit sagt ein paar passende Worte. Oft wird die Bestattungszeremonie sogar live übers Internet übertragen, damit Angehörige die es nicht zur Beerdigung nach Jamaika geschafft haben, beiwohnen können.
Grabbeigaben sind oft noch üblich in Jamaika. So soll Bob Marley seinerzeit mit einem Fussball, seiner Lieblingsgitarre und einem Zweig Marihuana sowie einer aufgeschlagenen Bibel begraben worden sein. Beliebte Grabbeigaben bei Jamaikanern sind auch Rum, Geld, Schmuck und Essen. Kam der Verstorbene gewaltsam ums Leben, wurden manchmal sogar Waffen beigelegt, damit wenigstens sein Duppy Rache üben kann.
Dann wird der Sarg geschlossen und oft begleitet von Musik zur ausgewählten Ruhestätte überführt.
Der Beerdigung folgt der “Repass” – Leichenschmaus in Jamaika
Nach der Beisetzung gibt es eine letzte Zusammenkunft der Trauernden. “Repass” kommt von Repast und ist eine weniger formelle Zusammenkunft als die Trauerfeier oder ein Gedenkgottesdienst. Auch Repass stehen in der Regel allen Besuchern der Beerdigung offen, können je nach Familie aber auch in kleinem Kreis stattfinden. Nach dem Tod eines geliebten Menschen als Familie symbolisch das Brot zu brechen, ist auch wichtig für die Trauerbewältigung. Mit der Unterstützung von Angehörigen können die Hinterbliebenen ihre Gefühle besser verarbeiten. Ähnlich unserem Leichenschmaus finden Repass meistens nicht im Trauerhaus selbst statt, sondern in einem für diesen Anlass gemieteten Raum z.B. im Gemeindezentrum oder im Restaurant. Dabei wird oft nicht so üppig aufgefahren, wie bei der Nine Night.
Kunst auf dem Friedhof – Grabstätten in Jamaika sind bunt
Bei der anschliessenden Gestaltung der Grabstätten kommt die Ehrerweisung gegenüber dem Verstorbenen allermeistens bildhaft zum Ausdruck. Die Särge sind in einer Art Steinsarkophag untergebracht, also eingemauert. Je nachdem sind sie – innen wie aussen – oft recht fantasievoll mit Abbildungen des Verstorbenen, bunten Ornamenten und Psalmen verziert. Der Jamaica Gleaner hat das einmal als “Funerary Art” beschrieben. Auf dem Annotto Bay Cemetary ist ein besonders auffälliges Grab zu bestaunen, das ‘Diamond Castle’. Dieses Disneyschloss ist die Ruhestätte von Khadijah DeAndrea McKenzie, welche als 19jährige bei einem Autounfall ihr Leben liess.
Oft sieht man Gräber, die teilweise oder sogar ganz mit Ornamentfliesen gestaltet sind, was sicher eine pflegeleichte Art ist, eine Grabstätte wetterfest und bunt zugleich zu gestalten. Es gibt in Jamaika öffentliche Friedhöfe, die allerdings kaum unterhalten werden. Die Grabstellen sind dicht an dicht, viele ältere Gräber sind marode. Will man seine verstorbenen Angehörigen besuchen, muss man manchmal über lose Grabplatten steigen. Schiefe Grabsteine vermitteln auch keinen besonders gepflegten Eindruck. Private Friedhöfe, die dann durch einen Caretaker gepflegt werden gibt es in Jamaika aber ebenfalls.
Ganz anders, als bei uns – Friedhöfe in Jamaika
Zum Schluss zeigen wir noch ein paar Eindrücke von verschiedenen Friedhöfen in Jamaika. Links seht ihr einen Teil vom relativ schlichten Friedhof in Seaford Town, man merkt den Einfluss der deutschen Siedler. In der Mitte zeigen wir den Alten Marinefriedhof bei Port Royal, der leider kaum gepflegt wird, so dass man ihm die letzte Restauration nicht mehr ansieht. Die Hafenbehörde beabsichtigt, den Old Naval Cemetary in den neuen „Touristenpfad“ für Kreuzfahrttouristen einzubeziehen, sodass die Chance besteht, dass er noch einmal restauriert werden kann. Rechts das Grab eines “Abeng”-Spielers in Accompong, der einstigen Siedlung der Leeward-Maroons.
In diesem Beitrag habt ihr vieles über den Totenkult in Jamaika gelesen und einen Einblick in die Traditionen rund um Begräbnisrituale auf der Insel bekommen. Sie variieren von Gegend zu Gegend und werden in den ländlichen Gebieten noch eher traditionell wie früher praktiziert, als in den Grossstädten. Ich finde die Idee, das Leben eines geliebten Menschen feiern, statt sein Dahinscheiden zu beklagen, könnte man getrost in unsere angestaubte Trauerkultur übernehmen. Was meint ihr?
Lest noch mehr Interessantes über die Menschen in Jamaika und ihre Kultur
in unserer Rubrik: Menschen und Kultur
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Haha sorry for commenting twice. I realize it translated my abbreviation of Jamaica (j-a) to Yes. So insert Jamaica for all those “yes” 🙂
Stay cool, evryting criss 😉 All the J-a’s stand as written. It’s like inreal life: it’s not always, as it seems 😀
Thank God for Google Translate. 😊 You must have spent time among rural Jamaicans because I’ve still never experienced an authentic nine night after living here all my life. Anyway, I enjoy reading about Ja through your eyes. You’re doing a great job of telling our story 🙂 And re mausoleums, those are the only 2 in Ja that I know of too and I still haven’t visited either. Glad you got the chance. Take care!
Oh, there should be a translater in the footer on the page 😀 No, we have never attended nine nights or a funeral in Jamaica. But we found it interesting, because in our culture is the death something sad. If you put “Friedhof Deutschland” at the in Google Image Search, you will understand, why we are so fascinated in jamaican ways to celebrate beloved deceased. Thanks for reading and reply and for your interest. Blogs like yours help me research and verify informations. Take care too 😉
My tablet gives me a pop-up option to translate after auto-detecting any foreign language so don’t worry, it didn’t give me any hassle to read. 🙂 Thanks for the footer translater too though. And oh I see. I didn’t realize how lively our death celebrations were until you pointed it out 😅