09.und 10. Februar 2018* Belmont


Lesezeit: 8 Minuten
09.Februar 2018 – Ausflug in eine andere Welt

Guten Morgen, Belmont! Auch nachts macht sich das pure Belmonter Landleben bemerkbar. Abwechselnd versuchen uns rivalisierende Hundegangs oder revierverteidigende Hähne bellend und krähend den Schlaf zu rauben, moderiert von Ziegengemecker. Ein Plätschern am Morgen beendet den Kampf um die Nachtruhe. Doch es regnet nicht, wie vermutet. Das Geräusch kommt vom WC, welches sich direkt hinter der Holzwand an unserem Kopfende befindet. Was soll‘s, ein Kaffee hilft beim Vergessen, das Wasser dafür ist auf dem kleinen Gasherd schnell erhitzt. Die frühe Morgenstunde muss ausserdem genutzt und die Dusche ausprobiert werden. Ich beglückwünsche mich dazu, die mir sonst so verhassten Waschlappen eingepackt zu haben, das erleichtert den „Sprung ins kalte Wasser“. Wir wissen ja schon, das warmes Wasser hier Luxus ist und Solarsysteme zum Erwärmen desselben nur funktionieren, wenn die Sonne tagsüber scheint.

Auf nach Accompong!

Lydia ist schon längst auf dem Weg nach Negril, denn sie arbeitet als deutschsprachiger Tourguide für Reisegesellschaften. Seit Hurrican Irma und ihre Schwestern einige andere Antilleninseln verwüstet haben, kommen wieder mehr Kreuzfahrtschiffe nach Jamaika und auch die Anzahl der Buchungen auf Jamaika steigt Jahr für Jahr. So bekommen wir das Frühstück von ihrer Tochter auf unserer Terrasse serviert. Gut schaut es aus, wir schwelgen in Rührei, Toast, Früchten und Kaffee. Gestärkt machen wir uns dann zu unserem Tagesziel auf. Es geht nach Accompong, der Siedlung der Nachfahren der Leeward- Maroons. Welche Rolle diese entlaufenen Sklaven in der Geschichte Jamaikas spielen, könnt ihr in Jah mek yah ODER Kleine Jamaikanische Geschichte nachlesen.

 Zunächst fahren wir in Richtung Black River, vorbei am Peter Tosh Memorial, welches wir bei unserer ersten Jamaikatour 2013 schon besuchten. Damals hätte man es fast verfehlen können, doch jetzt weisen Schilder und das bunt gestaltete Tor auf diesen reggae-geschichtsträchtigen Ort hin. Dann gehts nach Norden weiter durch Middle Quarters, wo man die berüchtigten Pepper Shrimps am Strassenrand angeboten bekommt. Die brennen erfahrungsgemäss zweimal. Bei den Y.S. Falls biegen wir ab, ohne uns dieses Mal in den imposanten Kaskaden zu erfrischen. Wir durchfahren Magotty und sind rasch in den Bergen am Rande des Cockpit Country. Die Strassen werden hier erheblich rauher, was wir jedoch kaum noch merken. Die Menschen auf dem Lande sind immer freundlich und winken uns zum Grusse.

Krieg und Frieden

„Welcome to Accompong“- so freundlich wurde früher hier wohl sicher kein Eindringling begrüsst. Am Ortseingang von Accompong werden zwei Pfeiler von je einem „Abeng“ gekrönt. Dieses simple, afrikanische Instrument aus einem Kuhhorn diente den Maroons zur Verständigung über lange Strecken sowie als Warnsignal, wenn britische Soldaten im Anmarsch waren. Unter einem Baum sind ein paar Männer am Plaudern, einer von ihnen kommt ans Auto und stellt sich als Mark vor. Er meint, wir sollen vor einem mit historischen Szenen der Maroons bemalten Gebäude parken.

Normalerweise müssen sich Besucher beim Colonel anmelden, doch heute sei er dafür verantwortlich. Accompong ist eine autonome Enklave mit eigenen Regeln und eigener Gesetzgebung. Auch von Steuerzahlungen an den jamaikanischen Staat sind sie befreit. Für diese Selbstständigkeit haben die Maroons hier und anderenorts auf der Insel hart mit den Briten gekämpft. In einer kleinen Ausstellung ist die Geschichte der Sklaverei und der Maroons auf Jamaika übersichtlich dargestellt.

Mark bietet uns zwei Touren an, eine Village-Tour durch die Siedlung und eine Wandertour in die Berge, wo sich das Grab von Cudjoe, dem Anführer der Leeward- Maroons befindet, der ein Bruder der Nationalheldin Granny Nanny war. Wir entscheiden uns angesichts der Hitze für die Village- Tour und Mark zeigt uns zunächst das Haus eines Obeah-Mannes sowie den Friedhof. Einwohner von Accompong finden hier sogar gebührenfrei ihre letzte Ruhe. Begräbnisse auf Jamaika sind wegen der tagelangen Feierlichkeiten ohnehin sehr kostenintensiv und es ist nicht unüblich, die lieben Verstorbenen direkt auf dem eigenen Grundstück zu bestatten. Er führt uns zu spirituell und rituell wichtigen Stätten und Plätzen des Ortes. Unter einem mächtigen, blühenden Mangobaum sitzen wir im Schatten.

Unter dem „Kinda-Baum“ hat Cudjoe mit seinen wichtigen Vertrauten neue Kriegslisten und Taktiken gegen die britischen Soldaten ersonnen. Jährlich am 6.Januar dient der Baum als Zelebrationsstätte bei den Feierlichkeiten zum Jahrestag der Unterzeichnung des Friedensvertrages mit den Briten, der den Maroons letzten Endes ihre Unabhängigkeit bescherte. Mark ist erstaunt, dass wir soviel Vorwissen haben, man merkt ihm die Freude darüber regelrecht an. „You’ve done your homework.“ meint er. Nach etwa einer Dreiviertelstunde sind wir wieder am bemalten Gebäude angelangt, wo uns Mark noch mit auf den Weg gibt, dass Accompong auch ein Guesthouse habe. Für die Wandertour müsse man früh aufbrechen, da wäre es am Besten, hier zu nächtigen. Dazu kann man sich bei ihm unter +1 876 286 5072 anmelden.

Wir verabschieden uns von Mark, versorgen uns in Divas Bar noch mit Kaltem für die Rückfahrt und verlassen dieses friedliche Fleckchen. Die atemberaubenden Aussichten, die auf unseren Ausflügen an uns vorbeiziehen, können wir gar nicht alle festhalten, denn dann wären wir noch länger unterwegs. Plötzlich beginnt es zu heftig zu regnen und hört bis zum Abend nicht mehr auf. Im Jungle Shack angelangt, werten wir den Tag auf der Terrasse sitzend aus und lauschen dem Trommeln des Regens.

Später kommt auch Lydia besorgt heim, sie hat ein Problem mit ihrem Auto. Sowas ist auf Jamaika meist nicht zeitnah zu beheben. Und das ausgerechnet, wo sie morgen die Gäste des Higher Heights zum Flughafen bringen will! Diese scheinen ihre letzte Nacht auswärts zu verbringen. Der Regen hat scheinbar auch die erhitzen Hundegemüter und das kampflustige Geflügel abgekühlt. So steht einer ruhigen Nacht wohl nichts im Wege. Aus der Sportsbar nebenan tönt Reggae herüber…

10. Februar 2018 – Abenteuer am „röhrenden“ Fluss

Die zweite Nacht im Natural Mystic Cottages in Belmont lässt uns wesentlich erholter erwachen und auch die Sonne scheint wieder. Eine erfrischende Dusche und ein selbst zubereitetes Früchtefrühstück mit Kaffee wecken die Lebensgeister. Auch Lydia ist bereits auf den Beinen, sie bringt ihr Auto zur Reparatur. Als sie hört, dass wir heute zum Roaring River wollen, hat sie sofort Tipps und den Kontakt zu einem Führer parat. Wir brechen auch bald auf, die Fahrt geht etwa eine Stunde und es gibt inzwischen wieder viel Interessantes zu sehen. Was genau sich jedoch hinter Roaring River and Caves verbirgt, ahnen wir bestenfalls.
Ein Wasserfall vielleicht oder wahrscheinlich eine Höhle.

Mit Dr. Scott, dem von Lydia empfohlenen Führer haben wir vereinbart, ihn in Petersfield bei der Tankstelle abzuholen. Er wünscht uns einen guten Morgen und lotst uns durch den Ort Roaring River, bis wir vor einem Tor parken sollen. Das Gelände gehört einem Paar aus der Schweiz, die hier auch ein Gästehaus betreiben. Wir werden gefragt, ob wir uns für 15 USD p.P. auch Blue Hole Gardens ansehen möchten. Die Eigentümer seien zwar gerade nicht im Lande, doch man könne sich trotzdem im klaren, unendlich tief scheinenden, türkisblauen Teich erfrischen.

Wir wollen, also gehe ich mich umziehen. Der gute Eindruck, den das gepflegte Gelände macht, wird auf der Toilette getrübt. Nichts gegen ein Plumpsklo, ich bin damit aufgewachsen, aber den Deckel sollte man besser immer geschlossen halten. Auch die benutzte Windel am Waschbeckenrand trägt nicht zur Geruchsverbesserung bei. Da wir die einzigen Gäste sind, liegt der Schluss nahe, dass nicht regelmässig kontrolliert wird, ob in Bad und WC alles okay ist.

Diese Diashow benötigt JavaScript.

Eiskalte Tiefen

Lars schwimmt schon längst mit Fischen, während sich Dr.Scott über meine Versuche, im kalten und unendlich tief scheinenden Wasser des Blue Hole die Hemmschwelle zu überwinden, amüsiert. Nach ein paar Schwimmzügen haben wir genug und wärmen uns im Handtuch. Umziehen lohnt noch nicht, denn weiter hinten ist noch ein natürliches Sprudelbad mit Massageeffekt. Den muss Lars natürlich ausprobieren. Derweil beobachte ich eine Familie, die in riesigen Kanistern das kristallklare Flusswasser auffängt und dann heimschleppt. In den meisten Gegenden Europas ist dieser Anblick längst Geschichte, auf Jamaika immer noch unromantische Realität.

Das ganze Anwesen des Blue Hole Garden ist von kleinen Wasserläufen durchzogen, Dr.Scott erklärt uns hier und da etwas und pflückt uns ein paar Jamaican Apples als Snack. Als wir genug haben, geht es weiter mit dem Auto zum Roaring River.

An einer Brücke stellen wir das Auto ab und laufen an einem grünen Geländer einige Treppenstufen hinauf. Dieser Platz macht den Eindruck, als habe er schon mal mehr Besucher gehabt, als uns und die Beiden, die uns entgegen kommen. Der Eingang der Roaring River Caves ist mit einem Gitter versperrt, ein offiziell gekleideter Security Guard knöpft uns 2300 JMD p.P. ab. Eine Quittung gibt es nicht, was uns mutmassen lässt, dass Höhlenführungen mittlerweile bestenfalls geduldet werden.

Dr. Scott fragt uns, ob wir mit dem Handy leuchten können, da die Höhlen wegen der Fledermäuse nur spärlich beleuchtet sind. Er zeigt uns Figuren in den Felsen und Schatten, die Menschen oder Tiere nachempfinden. Uns erinnert das an die Green Grotto Caves bei Runaway Bay. Wie müssen sich wohl die entlaufenen Sklaven gefühlt haben, die sich hier versteckten und höchstens eine Fackel als Lichtquelle hatten. Eine Escape Route, die sich über fast 2 Meilen erstreckt und sich zum Ende hin verjüngt, ermöglichte Manchem auf Knien und Bauch rutschend die Flucht zu den Maroons.

Eine unterirdische Mineralquelle und einen See gibt es hier auch zu bestaunen. Uns ist allerdings weder nach einem Bad im ungewissen Dunkel, noch nach einer Massagebehandlung mit mineralhaltigem Schlamm. Uns lockt die Sonne nach draussen. Dr.Scott – der hier aufgewachsen und sowas wie ein Naturheiler ist -zeigt uns noch die Quelle, die die ganze Gemeinde seit Generationen mit Wasser versorgt. Am Auto schenkt er uns noch zwei fertig geröstete Breadfruits, die uns Lydia zubereiten könne, meint er. Wir bedanken uns dafür und für die interessante Tour und da von Dankeschöns auch auf Jamaika niemand leben kann, bekommt er auch Bares.

Belly full

Dann rauschen wir los, uns zieht es zum Strand. Auf dem Weg liegt der Bluefields Beach, ein schöner, weisssandiger, öffentlicher und damit kostenloser Strand. Parken kann man in der Nähe vom Eingang komfortabel, wir laufen ein Stückchen auf der jetzt unbefahrenen, ehemaligen Uferstrasse von Savanna la Mar nach Black River und schauen den Einheimischen beim Samstagsvergnügen zu. Der Strand ist recht flach, was günstig für Kinder ist. Aber auch viele erwachsene Jamaikaner können nicht schwimmen.

Lydia ist mit Tochter und Enkel ebenfalls hier und überrascht, uns schon zu sehen. Unsere Frage, ob hier auch irgendwo Essbares angeboten wird, beantwortet ihre Tochter: Wenn man den Weg weiter geht, kommt man wieder auf die Hauptstrasse und ein paar Schritte nach rechts findet man den Stand von Omar, der ein leckeres Jerk Chicken mit hausgemachter Sosse anbietet. Also folgen wir weiter der Strand- „Promenade“ und finden an der A2 kurz vor der Abzweigung nach Brighton und Robin River tatsächlich Omars in Jamaikafarben gehaltenen Stand.

Versorgt mitecht leckerem Jerk Chicken und einem Red Stripe setzen wir uns und beobachten das Treiben an Omars gut besuchtem Stand. Viele Fahrzeuge halten und kaufen Jerk to go. Ein Kombi fällt mir auf, der Holzbalken transportiert und dessen Überlänge sehr kreativ gekennzeichnet ist. Als ich seinen Fahrer, der seine Dreads unter einem Tam in panafrikanischen Farben verborgen trägt, wegen eines Fotos frage, verlangt er zunächst einen Dollar. (Warum hier weisse Haut immer mit USD suggeriert wird, bleibt uns ein Rätsel! Zwinker.) Als er mitbekommt, dass ich lediglich das Auto fotografieren möchte, meint er lachend:
„The car is for free, mon!“

Satt vom wirklich empfehlenswerten Jerk Chicken Omars laufen wir zurück zum Strand, wo wir uns am hinteren, ruhigeren Ende niederlassen und die Sonne und das angenehme Wasser geniessen. Da man nie weiss, was im Wasser ist und ein eingetretener Seeigel den Genuss des Urlaubs erheblich beeinträchtigt, ziehen wir zum Baden meist unsere Wasserschuhe an. Wir bleiben, bis dunkle Wolken und fernes Donnergrollen uns heim treiben. Dort vertreiben wir uns den Restnachmittag mit Kaffee trinken und Kolibris gucken.

Zeitgleich bereitet Lydia das Higher Heights über uns für neue Gäste vor und wir fühlen ihr direkt nach, wieviel Arbeit so ein Guesthouse machen kann. Der erwartete Gewitterregen bleibt aus und es gibt noch einen Sonnenuntergang, den Lars vom Higher Heights über uns fotografiert.

Hit me with music

Später bereiten wir uns unsererseits auf den Abend vor. Unsere Gastgeberin hat vorgeschlagen, ins Restaurant vom „Luna Sea Inn“ zu gehen, wo am Samstagabend Livemusik geboten wird. Der Weg führt uns an der Hauptstrasse entlang, die auch im Dunkeln noch gut befahren ist. Wir müssen oft rasant herannahenden Fahrzeugen ausweichen die noch dazu grundsätzlich mit Aufblendlicht fahren. Im Luna Sea Inn schlägt uns die freundliche Rezeptionistin das Valentine-Special vor. Zwar ist noch nicht Valentinstag, doch das Menü und der Preis überzeugen uns. Wir schlagen zu und werden nicht enttäuscht, sowohl das Essen als auch der Service sind super. Die „Thunderballs“ mit Percussion, Gitarre und Sängerin harmonieren ebenso perfekt und geben Old School Reggae zum Besten.

Zwischenzeitlich ist Lydia mit Familie und Freunden eingetroffen und am Nachbartisch dabei, ein bisschen Stimmung zu machen. Als die Band ihr Spiel beendet hat, beschliessen wir bald, den Heimweg anzutreten. Zu Fuss geht’s den selben Weg zurück. Auf der Nebenstrasse, die zum Natural Mystic Cottages führt, stoppt neben uns plötzlich ein Auto. Es ist Lydia die ihren Enkel und einen Gast aus dem Bamboo Palace heimfährt und uns einlädt, den Rest der Strecke mit ihr zu fahren. Nachdem wir ausgestiegen sind und uns bedankt haben, plaudern wir Frauen noch ein wenig. Dann treffen kurze Zeit später ihre Tochter nebst ein paar Freunden ein und man wünscht sich eine gute Nacht. Bald ruft das Traumland auch nach uns…

Natural Mystic Cottages

Weiter geht’s auf der nächsten Seite…

Mitreisen könnt ihr übrigens auch hier:

Unsere Facebook-Seite – die offizielle FB- Seite von „Touchin‘ Jamaica“

Unsere Facebook-Gruppe – zum Austausch mit anderen Jamaika-Reisenden
und Jamaika- Fans

Kategorien:Woche I - 02.02.- 10.02.2018- von Montego Bay bis BelmontSchlagwörter:, , , , , , , , , , , , , , , , , , ,

Was meinst du dazu?

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Entdecke mehr von TOUCHIN' JAMAICA

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen