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05. und 06. Februar 2017 * Kingston

Blick auf Kingston

Lesezeit: 8 Minuten
05. Februar 2017 – Eiskalte Genüsse und wie wir Trenchtown rockten

Guten Morgen, Kingston! Nach einer recht erholsamen Nacht und einer Dusche im geräumigen Bad gibt es nur einen Kaffee und den tollen Ausblick auf Kingston zum Frühstück. In unserem Appartement, welches sich in einem abgesicherten Wohnkomplex befindet, lässt es sich gut aushalten. Trotzdem zieht es uns hinaus, wir haben Hunger und wollen endlich Kingston entdecken. 2013 waren wir schon einmal hier, damals haben wir das Bob-Marley-Museum in der Hope Road 56 und die
Tuff-Gong-International-Studios besucht, danach waren wir bei „King I-tal“, um rastalike zu speisen. Kingston hat jedoch noch mehr zu bieten, unsere Liste ist lang, also machen wir uns auf.

Heute wollen wir den Kingstoner ÖV nutzen, die gelben Busse mit der Jamaika-Flagge auf dem Kühler. Zur nächsten Haltestelle ist es nicht weit und dank Vorrecherche daheim kommt auch bald der gewünschte Bus, der uns beim Devon House wieder rauslassen soll. Beim Fahrer fragen wir an, ob er uns extra ansagen würde, wenn es soweit ist. Wir zahlen unser Ticket und setzen uns, aus den Lautsprechern schallt Celine Dion. Einige der mitfahrenden Jamaikaner singen oder summen mit. Wir halten noch an anderen Haltestellen, die im Übrigen zwar schön bunt mit Werbung foliert sind, aber weder einen Fahrplan aufweisen, noch Hinweise, welche Buslinie hier hält. Nachdem wir am Bob-Marley-Museum vorbei sind, hält unser Bus „Opposite Devon House“ und wir hüpfen raus und winken nochmal dem netten Fahrer,
der uns lachend einen schönen Tag wünscht.

I scream for Icecream

Das Devon House liegt von einer schattigen Parkanlage umgeben auf einem Anwesen mitten in Kingston. Der erste dunkelhäutige Millionär Jamaikas, George Stiebel, liess sich auf dem damals ca. 20 Hektar grossen Grundstück eine koloniale Villa bauen. Bei einer Tour für 1000 JMD kann man zeitgenössische Antiquitäten, wie z.B. Kronleuchter aus Porzellan bewundern. Leider ist Sonntag und das Haus geschlossen. Auch der Park ist uns wegen einer geschlossenen Gesellschaft nicht zugänglich. An anderen Tagen geniessen die Kingstonier diesen Park zum Abschalten unter den Schatten spendenden Bäumen. Auf dem Gelände gibt es auch ein Restaurant mit griechisch-jamaikanischer Fusionsküche, einen Schokoladenladen, diverse Souvenir- und andere Geschäfte, eine Bäckerei mit kleinem Café und allerhand mehr Zerstreuungen.

Uns zieht es hierher, weil wir die beste Eiscreme Jamaikas probieren wollen. Als wir den kleinen Eisladen erblicken, reicht die Schlange schon bis vor die offene Tür. Wir stellen uns trotzdem an und haben genug Zeit, die Sorten zu studieren, die von der klassischen Schoko-Vanille-Erdbeer-Kombi über Fruchtiges wie Fruit Basket und Cherry bis hin zu Devon Stout reichen. Letzteres klang probierenswert. Als wir endlich dran waren erklärte uns die gelangweilt scheinende Verkäuferin das Bestell- und Preissystem und entlockte uns unsere Wünsche. Sodann klatschte sie das Ganze lieblos auf die Waffel und wir verzogen uns nach draussen, wo wir ein nettes Plätzchen zum Eiscremegenuss fanden.

Ich hatte Fruit Basket und Pistazie, welche mit der italienischen Eiscreme, die man ab und zu in Basel und Umgebung findet, locker mithalten können. Der Stoutgeschmack war dann doch „very british“ und nicht unserer. Wer das englische Stout schon mal probiert hat, fragt sich sowieso, wie man auf die Idee kommt, diesen gewöhnungsbedürftigen Geschmack in einem Eis zu verarbeiten.

Jetzt ist uns nach einem Kaffee, gleich nebenan gibt’s welchen und an den kleinen Tischchen ist noch Platz für uns. Den Kaffee bestellt Lars drinnen, er kommt zwar in
To-Go-Bechern, aber die Bedienung ist erheblich freundlicher als im Eisladen. Ich bummle noch durch ein, zwei Geschäfte auf der Suche nach Briefmarken und Mitbringseln.

So gestärkt laufen wir weiter durch das sonntäglich-sonnige Kingston, vor dessen Besuch wir auf diversen Websites eindringlich gewarnt wurden. Unser Weg führt uns über die Trafalgar Road und den Knutsford Boulevard zum Emancipation Park, der eine schön angelegte, grüne Grossstadtoase ist. Wir verweilen nicht zu lange, denn wir wollen noch nach Downtown zum Trenchtown Culture Yard und vor lauter Vorfreude vergessen wir, dass wir ja aus Sicherheitsgründen den Bus nehmen sollten. Als wir die ganze Beachwood Avenue hinunterlaufen und am Kreisel auf den Collie Smith Drive abbiegen, wird die Gegend merklich ungepflegter.

Sonntags im Brennpunkt

Ziegen suchen im Müll am Strassenrand nach Fressbarem und die Behausungen werden ärmlicher. Insgesamt macht alles einen trostlosen Eindruck auf uns, aber so ist das nunmal in Trenchtown, welches schon zu Bob Marleys Zeiten ein sozialer Brennpunkt war. Da es Sonntag Nachmittag ist und die meisten Leute in der Kirche sind, sieht man nicht so viele Menschen auf den Strassen. Ausserdem findet ein wichtiges Fussballspiel statt, was die Menschen anzuziehen scheint. Die uns begegnen, schauen uns eher neugierig an. Man grüsst und freut sich gegenseitig drüber.

Vorsichtshalber hatten wir uns nicht aufgebrezelt wie die Pfingstochsen und alles, was materiell Aufmerksamkeit erregen könnte, daheim gelassen. Grosse Rucksäcke durch die Sonne zu schleppen, hatten wir eh keine Lust. Unsere Kameras durften ebenso nicht mit. Trotzdem erregten wir, wie so oft auf unserer Tour, wegen des Doctorbird-Tattoos auf meinem rechten Oberarm  auch hier wohlwollendes Interesse.

Die Wiege des Reggae

Beim Trenchtown Culture Yard (der in keinem unserer verwendeten Reiseführer erwähnt wird) angekommen, fragten wir am Tor nach einer Tour und ein freundlicher Rasta liess uns ein. Er stellte sich als Oswald Comrie vor und gab uns einen Überblick über die verschiedenen Touren. Wir wählen die, die sich auf den Culture Yard beschränkt, es war ja schon später Nachmittag. Der Culture Yard beherbergt ein kleines Museum, das die musikalische Geschichte von Trenchtown anhand von Fotos, Zeitungsartikeln, Instrumenten und Möbeln präsentiert. Fans von Bob Marley, Peter Tosh und Bunny Wailer sowie anderer musikalischer Legenden Trenchtowns erhalten hier noch einmal auf interessante Weise Einblicke in die Anfangszeiten der Wailers. Man sagt, hier lernte Bob von Vincent „Tata“ Ford Gitarre spielen und diese erste Gitarre ist auch hier ausgestellt.

Die ursprünglichen Gebäude aus den 1940er Jahren wurden einst von der Regierung als gefördertes Wohnprojekt errichtet. In den sogenannten „Gouvernment Yards“ konnten Familien für 12 Shilling im Monat eine Zweizimmerwohnung mieten, die sanitären Anlagen und die Kochgelegenheiten teilte man sich mit den anderen Mietern innerhalb des „Yards“. Das sollte die Gemeinschaft fördern. Im Innenhof des Trenchtown-Culture Yards ist der alte Tourbus der Wailers ausgestellt. Oswald erlaubt uns, zu fotografieren und hat interessante Geschichten zu erzählen. Zum Beispiel das der Trenchtown Culture Yard 2003 mithilfe der Deutschen Botschaft in Kingston renoviert werden konnte. Mit den Einnahmen aus dem Yard werden auch andere soziale Projekte in Trenchtown unterstützt, z.B das Trenchtown Reading Center, das gleich schräg gegenüber liegt.

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Am Ende der Tour zeigt er uns noch seine Werke, er bemalt T-Shirts und andere Textilien mit spirituellen Motiven. Dann erklärt er uns in seinem „Steingarten“, was er in den Steinen sehen kann. Ein faszinierender und inspirierender Mensch, zu dem der Beiname „Stoneman“ wirklich passt! In der kleinen Bar des Culture Yard erfrischen wir uns mit einem Red Stripe, während uns der besorgte Oswald noch eine Fahrgelegenheit zu unserer Bleibe organisiert. Er begleitet uns hinaus bis zum Treffpunkt. Der Collie Smith Drive ist jetzt belebter, alle sind fein gemacht und wollen nach der Kirche noch ein bisschen Party machen. Bis unser „Taxi“ kommt, weicht Oswald nicht von unserer Seite, obwohl wir uns nicht unsicher fühlen. Wir verabschieden uns herzlich, diese Begegnung klingt in uns noch lange nach.

Walk gud and Tek ker

Unser inoffizielles Taxi – auch etwas, wovon immer abgeraten wird – fährt uns durch den Kingstoner Sonntagabendverkehr. Die Tatsache, dass es kein rotes Nummernschild trägt, lässt uns spasseshalber ein wenig spekulieren, ob wir wohl ankommen, wo wir wollen. Einen funktionierenden Gurt gibt es hinten auch nicht. Letztendlich sind wir doch sehr dankbar für Oswalds Organisationstalent, denn nach Trenchtown kommt kein offizieller Taxifahrer freiwillig.

Angesichts der aufsteigenden Dämmerung ist es besser, nicht alleine zu laufen. Wir lassen uns an einem Einkaufscenter raussetzen, der Fahrpreis ist auch mit grosszügigem Aufrunden noch vergleichsweise billig. Im Sovereign Center decken wir uns dann mit Cola und Rum ein, uns ist danach. Auch Kuchen und Kaffeesahnepulver finden noch den Weg in den Korb. Nachdem wir gezahlt haben, müssen wir nun doch ein paar Meter im Dunkeln heimlaufen. Doch die Gegend, wo unser Appartement liegt, ist eine der sichereren in Kingston und wir kommen unbehelligt an.

Zum Abendessen gibt’s die Pizzareste vom Vorabend aus der Mikrowelle. In Nachbars Garten wird nobel gefeiert. Laute Musik schallt aus den Boxen zu uns herüber, ein bunter Mix aus Reggae, Dub, Maria Carey und Whitney Houston. Was soll’s, that’s Jamaica- denken wir beim Einschlafen.

06. Februar 2017- Kingston Odyssee und Bobs Geburtstagsfete

Happy Birthday to youuuuuu … Geburtstagskind des Tages ist Bob Marley, der offiziell heute vor 72 Jahren in Nine Miles / St. Ann als Sohn einer Jamaikanerin und eines britischen Offiziers das Licht der Welt erblickte. Zur Feier des Tages gehen wir heute- nein, nicht ins Bob-Marley-Museum, sondern ins im November 2016 brandneu eröffnete Peter-Tosh-Museum. Den Weg dorthin legen wir per Bus zurück, die letzten Meter gehen wir zu Fuss. Warum wir nicht gestern hier waren und heute lieber auf Bobs Spuren wandeln? Ganz einfach- Das Peter-Tosh-Museum ist sonntags geschlossen.

Als wir dort ankommen, warten schon ein paar Leute in der brütenden Sonne auf Einlass. Dann kommt auch endlich irgendwann jemand, bei wem wir die 20 USD pro Person Eintritt zahlen und uns erklärt, dass gerade eine Tour stattfindet. Unsere mitgebrachten Getränke werden langsam warm, leider hat die zum Museum gehörende Bar gerade nicht geöffnet und wir sind froh, als man uns endlich in die geheiligten Hallen des Peter-Tosh-Museums einlässt. Drinnen ist es dank der hochgestellten Klimaanlage angenehm frisch, die Dame die uns guided wirkt ebenso etwas unterkühlt. Wobei guiden zuviel gesagt ist, denn eigentlich liest sie nur ab, was sowieso auf Täfelchen angeschrieben steht.

Wir erfahren Einzelheiten über Toshs Leben und Wirken mit und ohne Wailers und bestaunen Tosh- Reliquien wie seine Gitarre in Form eines Maschinengewehrs. Auf einem Bildschirm läuft in englischer Sprache ohne Untertitel eine Art Interview- Doku, der wir aber nicht recht folgen können, weil das Thema unklar ist und die Protagonisten teils Patois reden, was nicht untertitelt wird. Fotografieren ist auch hier untersagt.

Kurzum – dieser Museumsbesuch war nicht unser Geschmack und sein Geld nicht wert. Da fanden wir sein Mausoleum an der Südküste in Belmont, welches wir schon 2013 besucht haben, inspirierender. Wenn’s ums kommerzialisieren geht, haben es die Marleys doch besser drauf.

Von hier aus sollte es nun wieder per Bus zum National Heroes Park und danach noch zum National Museum weitergehen und wenn wir die richtige Bushaltestelle gefunden hätten, wäre das sicher kein Problem gewesen. Doch trotz mitgeführter Notizen und Handy-Navi gelang es uns nicht, den richtigen Bus zu finden. Wir beschlossen, es vom Emancipation Park aus zu versuchen, doch auch da warteten wir vergeblich und zogen nach 20 Minuten zur nächsten Bushaltestelle, die uns mehr zu versprechen schien. Mittlerweile wurde die pralle Sonne von dunklen Regenwolken überzogen und wir sahen schon, wie diese sich an den Berghängen abregneten. DAS hätte jetzt noch gefehlt: Staubig UND klebrig vom Regen.

Doch wir wurden verschont und hatten auch so keine Lust mehr, von Bushalte zu Bushalte zu pilgern. Für diverse Route-und andere Taxis konnten wir uns auch nicht entscheiden, was vielleicht schade war, also machten wir uns auf den Weg zum Appartement, wo der Pool mit seinem blau schimmernden Wasser Erfrischung versprach. Mit Details dieses heissen, staubigen Rückmarsches sollt ihr verschont bleiben. Ausser: Er dauerte 2 Stunden und warme Softdrinks sprudeln im Mund ganz schön eklig. Daheim soffen wir erstmal den Kühlschrank leer, gossen uns ein Nudelpäckchen aus dem Notvorrat auf und hüpften dann ins kühle Nass.

Später am Abend werfen wir uns in unsere schickste Bob-Marley-Schale, wir wollen gern ausgehen, um mit anderen BM-Jüngern seinen Geburtstag zu feiern, und zwar in der Hope-Road 56. Weil wir vom Bus fahren heute die Nase voll haben und es ja nicht weit ist, laufen wir. Unterwegs fangen wir noch ein Jerk- Chicken an einem verlockend duftenden Strassengrill. Mit vollen Bäuchen kommen wir am ebenfalls ziemlich vollen Bob-Marley-Museum an, wo der Bär schon steppt. Wir kämpfen uns durch den Ganja-Nebel im Innenhof an ein nettes Plätzchen, Lars besorgt uns zwei jamaikanische Hopfenkaltschalen und wir versuchen dem Geschehen auf der Bühne zu folgen. Ohne Ohrstöpsel (ja, lacht nur) gar nicht so leicht. Versucht mal, Reggae-Musik zu geniessen, wenn ihr spürt, wie kitzelnd euer Trommelfell gefährlich vibriert.


Trotz der interessanten Künstler, z.B. Bongo Herman, der schon selbst mit Bob gejammt hat, machen wir uns auf den Heimweg, natürlich wieder allein in der Dunkelheit in der „wickedest city of Jamaicas modern age“ und kommen von irgendeiner Macht beschützt auch heil daheim an. Übrigens scheint Montego Bay Kingston längst den Rang der gefährlichsten Stadt Jamaikas abgelaufen zu haben. Wir versuchen immer und überall auf uns aufzupassen, auch wenn wir daheim unterwegs sind. Auf dem Balkon machen wir es uns noch mit Cola-Rum gemütlich uns streamen einfach das Geburtstagskonzert- SO lässt es sich aushalten.

Gute Nacht, Kingston … und süsse Träume!
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