Jamaica – „Independent“ since 1962 ODER Jah mek Ya – Teil II


Lesezeit: 10 Minuten

Erinnert ihr euch an den fröhlichen Ausgang unserer „kleinen Jamaikanischen Geschichte“ ? Rund sechs Jahrzehnte ist das heute her und die Jamaikaner feiern an jedem 6. August -trotz aller Hindernisse und Widersprüchlichkeiten auf Jamaika- ihre Unabhängigkeit als einen ihrer höchsten Feiertage.

Wir finden: Irgendwie klingt das Ende unserer Geschichte ja wie ein Versprechen. Und weil wir nichts von falschen Versprechen halten, erzählen wir die Geschichte Jamaikas an dieser Stelle weiter:

Endlich frei! Am 6. August 1962 hatten es die ehemaligen jamaikanischen Untertanen endlich geschafft: Jamaika war unabhängig und fortan nicht mehr den Schikanen irgendwelcher Eindringlinge unterworfen. Der Jubel war schier unendlich und nun wurde tatsächlich ohne Unterlass gesungen, getanzt und gefeiert, dass sich die Balken bogen …
Abnabeln. ODER: Wie gelingt Unabhängigkeit?

Als man auf Jamaika nun endlich zu Ende getanzt und gefeiert hatte, war es Zeit, die wirklich wichtigen Dinge zu regeln, die da waren:

>>>NATIONALHYMNE<<<

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NATIONALWÄHRUNG
1969 löste eine eigene Währung das Jamaika-Pfund ab: Der Jamaikadollar(JMD)
Tipp für Jamaika: Besser kleine Noten parat halten.

ausgewählte Banknoten Jamaikas bis 2022

Wer so gerne feiert und tanzt, der braucht natürlich eine
NATIONALMUSIK

Aus dem Ska, der die Tanzflächen dieser aufregenden Zeit beherrschte, wurde der Reggae geboren und wenigstens dieser eroberte die ganze Welt. Die Anfangseuphorie löste einen kräftigen Aufschwung aus und die Wirtschaft, Gesundheitswesen, Bildungswesen sowie die „schöngeistigen Künste“ explodierten förmlich. Das ist ein bisschen so, wie als junger Mensch endlich bei seinen strengen Eltern auszuziehen. So wie dieser seine Anfangsfehler macht, machte auch Jamaika seine Fehler, die sich rächen sollten.

Jamaika generierte zwar Einnahmen aus dem Export von Bauxit – dessen Abbau erst unter Manley versteuert wurde – aber muss das wesentlich teurere Aluminium wieder importieren. Auf Jamaika wurden bis heute trotzdem keine Aluminiumhütten gebaut, weil das Schmelzen von Aluminium große Mengen an elektrischer Energie benötigt. Statt jedoch zur Energiegewinnung die Ressourcen zu nutzen, die das Land bietet, wird auf leicht verfügbare – aber teure – Rohstoffe aus dem Ausland zurückgegriffen. Erdöl und Erdgas von woanders, statt Wind- und Sonnenenergie aus Jamaika. Ein Ungleichgewicht, welches schwer auszugleichen ist und das man heute noch in vielen Wirtschaftsbereichen Jamaikas finden kann. Obst und Gemüse aus Amerika, statt von eigenen Feldern sind nicht nur in den Supermärkten zu finden. Das ist Selbstausbeutung at it’s best!

Wer sagt uns jetzt wo’s lang gehn soll?

Dazu kam, dass jetzt zwar keine Peitsche knallenden Engländer mehr die Geschicke Jamaikas lenkten. Die wichtigen Leute Jamaikas jedoch waren in diesen Zeiten Mischlinge aus der Oberschicht, die im Ausland – vorzugsweise in England – studiert hatten. Eifrig versuchten sie das, was sie gelernt hatten, 1:1 auf Jamaika zu übertragen. Das Schulsystem Jamaikas ist bis heute an das britische angelehnt, ebenso das Rechtssystem. Statt aus dem, was man hat, da wo man ist das Beste zu machen, wurde fleissig adaptiert. Dass es selten gut funktioniert, einem Menschen, einem Volk oder einem Land fremde Gepflogenheiten überzustülpen, erfährt man als Reisender schon ganz gut.

Es hakt und ruckelt andauernd und vieles kollidiert einfach mit den Gegebenheiten vor Ort. Wie das oft so ist, nutzten und nutzen viele, die eine gewisse Machtposition inne hatten, diese auch kräftig aus. Gib jemandem ein klitzekleines bisschen Macht und du erkennst seinen wahren Charakter …
Das machte das Jamaikanische „Jung“-Volk trotz Unabhängigkeit auch nicht gerade zufriedener.

Alexander Bustamante zog sich 1965 nach einem Schlaganfall zurück und liess seinen Stellvertreter Donald Sangster schalten und walten. 1967 ging das Amt komplett an Sangster über, allerdings starb dieser bereits wenige Monate danach. Sein Nachfolger Hugh Shearer galt als Arbeiterfreund und sehr volksnah, legte wohl auch die Grundsteine für zwei potenziell wichtige Einkunftsquellen Jamaikas: den Aluminiumoxyd-Export und den Tourismus. Letzterer wird für Jamaika heutzutage immer wichtiger, aber auch dort fliessen die Einnahmen der grossen All-Inclusive-Resorts zu mehr als 80% NICHT in die Wirtschaft Jamaikas.

Frischer Wind für Jamaika?

1972 markiert mit der Wahl Michael Manleys (PNP) eine neue politische Ära auf Jamaika. Es wurde kräftig sozialreformiert, obwohl einige der Reformen später wieder gecancelt wurden. Unter anderem sorgte Manley dafür, dass das Schulgeld für Weiterführende Schulen abgeschafft wurde und trieb die Erwachsenenalphabetisierung voran. Die fast 90% der unehelich geborenen Kinder wurden den ehelich geborenen gleichgestellt. Er führte den Mutterschaftsurlaub und Ausgleichzahlungen für die Zuckerrohrarbeiter ausserhalb der Erntezeit ein. Eine umfassende Landreform brachte allerdings auch nur wieder den Anhängern der regierenden PNP Vorteile. Diese jedoch liessen das so erhaltene Land meist lieber brach liegen und schafften sich von den zur Bewirtschaftung erhaltenen Krediten lieber Luxusgüter an.

Manley führte auch die Besteuerung einiger Exportgüter ein, z.B. von Aluminiumoxyd, was die fördernden ausländischen Firmen mit einer Drosselung des Abbaus von Bauxit quittierten und Jamaika darum wichtige Deviseneinnahmen verloren gingen. Und das mitten in der Ölkrise, wo der Ölpreis explodierte und Jamaika sich zumindest in dieser Zeit wünschte, eigene Ressourcen besser nutzen zu können. Es blieb beim Wunsch als Vater des Gedanken, auch wenn es in letzterer Zeit zaghafte Versuche gibt, Kraft der Natur durch Windräder und Sonnenkollektoren einzufangen. Auch der aussenpolitische Kurs Michael Manleys war stark sozialistisch geprägt und die Annäherung an Kuba gefiel den Amerikanern, zu denen Bustamante seinerzeit tendierte, überhaupt gar nicht.

They don’t want to see us unite

Die knapp zwei Dutzend reichen Familien, die Jamaika dominierten, sowie die Mittelschicht auf Jamaika fanden ebenso wenig Gefallen an diesen Veränderungen. Was dazu führte, dass viele der gutsituierten und bestens ausgebildeten Jamaikaner das Land verliessen. Auch ein trauriger Umstand, woran sich bis heute nicht viel geändert hat: Wer es als junger Mensch auf Jamaika zu einer guten Ausbildung gebracht hat, versucht sein Glück im Ausland und unterstützt die Familie von dort aus finanziell. Mittlerweile leben mehr Jamaikaner im Ausland, als auf der Insel selbst. Doch Manley hielt an seinem Kurs fest, so geriet Jamaika bald zwischen die Fronten des schwelenden Konflikts zwischen Kuba und den USA Es wurde sogar befürchtet, Jamaika könne ein zweites Kuba werden.

Und die Jamaikaner? Hatten längst aufgehört zu singen und zu tanzen. Ärgerten sich erst im sehr bescheidenen stillen Kämmerlein über den Unfug, der da auf ihrer schönen Insel verzapft wurde und wurden mit der Zeit immer lauter. Ihr Unmut über die Zustände verwandelte sich – angestachelt durch die bezahlten Maulwürfe der Parteien – schnell  in Aggressivität. Bald ging man ohne Rücksicht auf Verluste aufeinander los. Das sahen die Politiker auf beiden Seiten insgeheim gar nicht so ungern. Sie unterstützten die Anführer der Auseinandersetzungen hintenrum auch noch kräftig mit Drogen, Waffen und Geld, deren Herkunft wohl ausländischen Ursprungs gewesen sein dürften.

Schon die Wahlkämpfe 1976 waren so blutig, dass Manley den Staatsnotstand ausrufen musste. Trotzdem gewann die PNP auch die Wahlen 1976, was die Situation eher verschlimmerte. Durch den Kapitalabzug der ausländischen Unternehmen ging es der jamaikanischen Wirtschaft immer schlechter. Bald blieben aus Angst vor der um sich greifenden Gewalt auch die Touristen aus. Wieder schmolzen die ohnehin schon geringen Einnahmen Jamaikas zusammen. Die Kaufkraft war am Boden, wenn es denn was zu kaufen gegeben hätte und der Jamaikadollar erfuhr eine drastische Abwertung.

Singen für den Frieden?

Jeder Jamaikaner musste schauen, wo er blieb. Nicht selten hiess es daher: „Wes‘ Brot ich ess, des‘ Lied ich sing.“ Oder besser „Wes‘ Brot ich ess, des‘ Waffe ich trag.“ Die Klopperei untereinander nahm kein Ende. Die Gewalt eskalierte besonders in den Ghettos der Grossstädte immer mehr. Ein Menschenleben war nicht mehr viel wert. Viel zu viele gerieten schlichtweg einfach zwischen die Fronten oder waren zur falschen Zeit am falschen Ort. Da half es dann auch nicht viel, dass einige doch wieder begannen zu singen und in ihren Texten die Missstände der neuen Jamaikanischen Gesellschaft anprangerten.

1976 sollte gar ein Friedenskonzert dafür sorgen, dass Jamaika wieder lächeln könne. Smile Jamaica fand trotz des Attentates auf Bob Marley kurz zuvor statt. Geändert hat das freilich nicht viel. 1978 gelang es Marley sogar, die Führer der rivalisierenden Parteien auf der Bühne des One Love Peace Concert zu einem versöhnlichen Händedruck zu bringen. Daraufhin stellten die blind um sich schlagenden und schiessenden Anhänger beider Parteien zumindest vorübergehend die Kämpfe ein.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Als 1980 die JLP mit Edward Seaga die Wahlen gewann, erhofften sich die Jamaikaner einiges an Verbesserung. Schliesslich hatten sie beachtliche Menschenopfer gebracht. Man spricht von 800 bis 1000 Menschen, die im blutigsten aller Wahlkämpfe auf Jamaika zu Tode kamen. Doch auch Seaga vermochte es nicht, die politischen Fehler, die seit der Gründung Jamaikas verursacht worden waren, auszubügeln. Zu geschwächt war die Wirtschaft, zu erschöpft die Menschen, um aus eigener Kraft jetzt wieder auf die Füsse zu kommen. Zu restriktiv waren die Auflagen der Kreditgeber Jamaikas, vor allem des Internationalen Währungsfonds. Auch ein US-Darlehen, welches der amerikagetreue Seaga 1981 herausschlug war nur ein Tropfen auf den heissen Stein und sorgte nur für neue Fussfesseln.

Zwar gelang es dem neuen Premierminister, das Wirtschaftswachstum auf 1.2 % zu steigern und auch das Ausland begann wieder vorsichtig Investitionen zu tätigen. Das reichte aber nicht aus, um die hohe Arbeitslosigkeit zu beseitigen und auch dem kleinen Mann einen bescheidenen Wohlstand zu bringen. Zudem entpuppte sich Seaga zum Teil als geschickter Illusionist. So setzte er – das kann man als Premierminister Jamaikas jederzeit tun – 1983 Neuwahlen an. Wohl wissend, dass die Wählerlisten seit 1980 nicht aktualisiert worden und viele Neuwähler nicht erfasst waren.

Logisch spielte die PNP da nicht mit und überliess der JLP weiter das Ruder der politischen Geschicke auf dem leck geschlagenen Schiff „Jamaica“. Die Armut der Bevölkerung wuchs parallel zu den Auslandsschulden. Das von Manley mühsam aufgebaute Gesundheitssystem und auch das Bildungssystem verfiel zusehends. Das Schulgeld für Weiterführende Schulen wurde wieder eingeführt…
Und so hinterliess auch Seagas Regierungszeit die Jamaikaner nicht glücklicher. Inzwischen war 1988 auch noch „Gilbert“ als verheerender Hurrikan über die Insel gefegt und schwemmte den letzten Rest Hoffnung für Jamaika weg.

Wer die Wahl hat, hat die Qual!

1989 waren mal wieder Wahlen angesetzt und so langsam kamen sich die Jamaikaner veralbert vor, denn Erstens gibt es parteitechnisch ja keine breitgefächerte Aus-Wahl auf Jamaika und Zweitens stellte die PNP allen Ernstes Michael Manley nochmals als Premierminister Jamaikas in Aussicht. Während sich der Kalte Krieg in heisse Luft auflöste und Europas Staaten in Ost und West sich einander annäherten, blieb auf Jamaika quasi alles beim Alten und war doch neu. Michael Manley gab seine früheren Fehler zu und bekam von seinen Wählern noch eine Chance.

Warum aber ändert niemand dieses offensichtlich ungesunde politische System, welches nach britischem!!! Vorbild erschaffen wurde und auf Direktmandaten beruht? Ganz einfach: weil man als Abgeordneter der jeweiligen Parteien viel zu sehr selbst davon profitiert und zu gerne in eigene Taschen gewirtschaftet wird. Man muss halt schauen, wo man bleibt, nicht wahr?! Und was geht einen „fremdes“ Elend an … Solange man am Steuer ist, rafft man, was man kann und bis die belogenen Wähler merken, dass die vollmundigen Wahlversprechen nur Schall und Rauch sind, wird wieder neu gewählt und man hat bis dahin idealerweise ausgesorgt.

Kehrtwende hin …

1992 hatte Michael Manley die Nase voll davon, immer von allen Seiten auf dieselbige zu kriegen und trat aus der Politik zurück. Der vorher von Manley wegen eines Schmiergeldskandales mit Shell seines Amtes als Finanzminister enthobene P. J. Patterson wurde von der Parteispitze als neuer Premierminister mit der Führung Jamaikas betraut. Die Jamaikaner hätten zwar viel lieber Manleys Arbeitsministerin Portia Simpson an dieser Stelle gesehen, aber wen schert das schon!

Unter Patterson wurde der Fokus wieder auf die Stärkung der Sozialschutz- und Sicherheitssysteme gelegt. Die längst fällige Modernisierung der jamaikanischen Infrastruktur wurde, z.B. mit dem Bau des Highway 2000 von der Nordküste nach Kingston, in Angriff genommen.  Die Umstrukturierung des Finanzsektors wurde priorisiert und der Internationale Währungsfonds als Kreditgeber gestoppt, was wiederum für mehr Spielraum in der Wirtschaftspolitik sorgte.  Pattersons Regierung löste Jamaikas größte Investitionsphase seit den 1960er Jahren auf Jamaika aus. Was sich besonders im Tourismusbereich, im Bergbau, der Energiewirtschaft und im Telekommunikationsbereich auswirkte.

So schlecht kann er seinen Job also nicht gemacht haben, immerhin wurde er vier Mal wieder gewählt, bis er 2006 ausschied und dann wirklich wunschgemäss Portia Simpson als erste Frau an Jamaikas Macht kam. Diese trug jetzt angehängt den Bindestrich-Namen Miller, führte den Kurs der PNP weiter und so kam es, dass die PNP unglaubliche 18 Jahre die Politik Jamaikas dominierte.

Kehrtwende her …

Das hätte ja angesichts der Politikverdrossenheit und Wahlmüdigkeit der Jamaikaner ewig so weitergehen können, aber die JLP konnte da natürlich nicht tatenlos zusehen! 2007 waren wieder mal regulär Parlamentswahlen angesetzt und die ausgeklügelte Gegenkampagne der JLP, in der die angebliche Inkompetenz Portia Simpson Millers angeprangert wurde, sorgte dafür, dass mit Bruce Golding endlich wieder ein JLP-Politiker an die Macht kam. So geht das „Bäumchen-wechsle-dich“ der Führung Jamaikas seitdem wieder den gewohnten Gang.

Bruce Golding trat 2011 nach dem Skandal um das Auslieferungsverfahren des Jamaikanischen Bandenchefs und Drogenhändlers Christopher Coke an die USA zurück und überliess dem vergleichsweise jungen Andrew Holness das Regierungsruder. Dieser ruderte tapfer, wenn auch kurz die „Jamaica“ in eine natürlich bessere Zukunft, aber wieder nutzte die PNP die Gelegenheit, um nach dem Rücktritt Goldings Neuwahlen zu fordern. Worauf Frau Simpson-Miller und die PNP Anfang 2012 erneut die politische Führung Jamaikas übernahmen. Doch die hatte nicht soviel Glück wie deutsche Regierungschefinnen.

Go Jamaica … go!

Bei den Wahlen 2016 schrammte nämlich die PNP mit 0.41 Prozentpunkten weniger knapp an der Wählerstimmenmehrheit vorbei und Portia Simpson-Miller gab das Amt des Premiers von Jamaika wieder an die JLP, welche in Andrew Holness einen fähigen Steuermann zu sehen scheinen. Ob der erste Premierminister, der nach der Unabhängigkeit Jamaikas geboren wurde, das Steuer herumreissen und die Besatzung der „Jamaica“ wieder froh machen kann? Er bemüht sich zumindest um frischen Wind auf der schönen Insel. Die Modernisierung des Bildungssystemes und die Reduzierung der Arbeitslosenquote steht ebenso auf seiner Agenda, wie endlich die hohe Kriminalität in den Griff zu kriegen.

Einfach wird das sicher nicht, denn Kriminalität findet auch „ganz oben“ statt. Was sich über Jahrzehnte eingeschliffen hat, lässt sich nicht in einer Amtsperiode ausradieren. Dazu kommt die wie ehedem hohe Staatsverschuldung, immer noch zahlt Jamaika seine IWF- Schulden zurück. Das verhindert dringende Investitionen im eigenen Land und längst fällige Gehaltserhöhungen bei den kleineren Staatsangestellten. Kein Wunder also, dass fast überall weiterhin der Dollar wichtigstes Schmiermittel ist.

Das macht zornig und lässt einige Jamaikaner ihr heisses Temperament nach aussen kehren. Mit dem Ergebnis, dass alternative Einkommensquellen gesucht werden, um der Armut zu entfliehen. Lottobetrügereien in grossem Stil sind momentan ein grosses Problem auf Jamaika und sorgen ausser illegalem Einkommen für neue Gewaltwellen. Das von US-amerikanischen und Rentnern aus Kanada ergaunerte Geld wird sofort wieder in den Kriminalitätskreislauf gebracht und in Waffen, Drogen und Luxus investiert. Mittlerweile wird nicht mehr für Wählerstimmen und Koks gemordet, sondern für Adresslisten aus dem Ausland.

Diese neue Welle der Gewalt hält aber auch die Touristen fern. Dabei schien in  den letzten Jahren durch den ansteigenden Tourismus wieder ein kleiner Aufschwung spürbar. Nicht wenige Jamaikaner verstehen diesen für ihr tägliches Ein- und Auskommen zu nutzen. Was immerhin besser ist, als gänzlich zu resignieren und sich verfügbaren Rauschmitteln hinzugeben. 

Und Mutti Elisabeth und die Briten? Die kichern sich hinterm Rücken eins und hauen dem einst aufmüpfigen und immer noch nicht wirklich abgenabelten Jamaika noch Knüppel zwischen die Beine. Bauschen eine eigentlich gute Sache wie den State of Emergency zu etwas Schlimmem auf, bis es die Medien dieser Welt und auch die potenziellen Besucher Jamaikas erreicht und abschreckt. Dabei wird durch solche Massnahmen der Regierung nur versucht, der Gewalt endlich Herr zu werden. Hatte er ja versprochen, der Herr Holness. Und: „We’re working on it.“ 

Jamaika – bereit für die grosse Freiheit?!

Spannend bleibt auch die Frage, in der sich alle jamaikanischen Politiker einig sind:
WAS genau bringt noch die Mitgliedschaft im Commonwealth und WANN wird Jamaika endlich Republik? 2020 stimmten bereits 60 % der Jamaikaner FÜR die Loslösung von der britischen Krone. Obwohl nicht wenige befürchten, dass das Land dann in noch schlimmeres Chaos gestürzt würde. Einig ist man sich allerdings mit der Forderung, dass sich die Krone endlich für konkrete Verbrechen, die im Rahmen des transatlantischen Sklavenhandels und auf den Plantagen begangen wurden entschuldigen und Reparationszahlungen an Jamaika leisten solle.

Mittlerweile überlässt es Mutti Liz ja dem königlichen Jungvolk, sich mit ihren aufmüpfigen Jamaikababys rumzuärgern. Im März 2022 besuchten also Prinz William und seine bezaubernde Kate die Insel. Unter dem Druck der Forderungen, die ihnen vorher in einem Brief von Aktivist:innen und auf verschiedenste Weise vor Ort klar gemacht wurden, rang sich William dann auch ein halbherziges Statement ab, dass „die Sklaverei abscheulich“ gewesen sei.

Nicht ganz das, was sich viele der Aktivistinnen und der Rest der Jamaikaner gewünscht hatten. Ein „Das war nicht okay.“ ist noch keine Entschuldigung.  Und Herr Holness? Traut sich auch nicht wirklich, mal auf den Tisch zu hauen. Hatte er im Dezember noch ganz überzeugt getönt, dass „Jamaika eine Republik werden“ müsse, begnügte er sich beim Staatsbesuch Williams im März damit, dem Herzog gegenüber zum Ausdruck zu bringen:

»… dass es in dieser Hinsicht unvermeidlich ist, dass wir uns darauf zubewegen, eine Republik zu werden und damit den Willen des jamaikanischen Volkes und unsere Ambitionen, ein unabhängiges, entwickeltes und wohlhabendes Land zu werden, erfüllen.«

Andrew – vergeig‘ es nicht! Die nächsten Wahlen kommen bestimmt!

 Bevor wir jetzt allzu ausschweifend werden und die 3000er Wortmarke knacken, beenden wir den Exkurs in die jüngere Geschichte Jamaikas. Wem das zu langweilig war, der hat sowieso nicht bis hierher gelesen. Man darf jedenfalls gespannt sein, Wem und Wann es gelingt, aus dem hübschen aber maroden Kahn „Jamaica“ wieder ein friedlich dahin gleitendes grosses, starkes Schiff mit optimistisch im Wind hoch aufgestellten Segeln zu machen.

Noch mehr jamaikanische Geschichte und Geschichten aus Jamaika gibt’s auch hier:

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1 Kommentar

  1. Sehr spanndend, danke für diesen Einblick!
    Jamaica ist ja leider bei Weitem nicht das einzige Land, in dem es so oder ähnlich läuft. Die gut ausgebildeten Menschen suchen sich (versändlicherweise) Arbeit im Ausland, weil es aussichtslos scheint, dass die Situation im eigenen Land zu ändern ist.. Und die Bevölkerung ist resigniert, weil sie trotz erkämpfter „Freiheit“ nicht wirklich was davon haben. Und zuschauen müssen, wie einige wenige sich alles nehmen, ohne an das Land und die Zukunft zu denken.. Bleibt zu hoffen, dass Jemand kommt und das Ruder herumreissen und das Land und die Leute nachhaltig weiterbringt!
    LG

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