D wie Deutsche auf Jamaika ODER Die traurige Geschichte von Seaford Town


Lesezeit: 4 Minuten

Deutsche in Jamaika – Die traurige Geschichte von Seaford Town

Leben, wo andere Urlaub machen- das klingt wie ein Traum. Diesen Traum haben sich bereits einige Hundert Deutsche auf Jamaika verwirklicht. Dass das Leben und Arbeiten unter Palmen aber auch zum Albtraum werden kann, hat sich schon vor knapp 200 Jahren bewahrheitet. Auch diese Seite der jamaikanisch – deutschen Geschichte wollen wir euch auf einem deutschsprachigen Jamaika-Blog natürlich nicht vorenthalten. Wir nehmen euch gern mit nach Seaford Town auf Jamaika.

Wir reisen in der Zeit zurück, man schreibt das Jahr 1834, endlich wurde die Sklaverei abgeschafft. Toll für die Sklaven, schlecht für die Plantagenbesitzer. Wer soll denn nun die Zuckerrohrfelder und andere Plantagen bestellen, wer sorgt nun dafür, dass die Herren ein sorgloses Leben führen können? Die mittlerweile freien Sklaven hatten dazu jedenfalls kaum noch Lust. Guter Rat war teuer.

„Klein-Deutschland“ auf Jamaika

Auch in Europa hatte so etwas wie eine «Revolution» stattgefunden. Die Industrialisierung war auf dem Vormarsch und immer mehr menschliche Handarbeit wurde überflüssig, viele wurden arbeitslos. So kam ein findiger deutscher Kaffeebaron auf die Idee, für seine Kaffeeplantage in den Blue Mountains deutsche Arbeitskräfte aus Bremen anzuwerben. 

Insgesamt gab es ab Mitte des 18. Jahrhunderts bis Mitte des 19. Jahrhunderts mehrere Wellen deutscher Einwanderungen in Jamaika. Mit der letzten kamen die künftigen Einwohner Seaford Towns auf die Insel. Rekrutiert von einem Preußen namens William Lemonius traf 1835 traf die dritte Welle deutscher Einwanderer ein, wiederum aus Bremen und dem Weserbergland. Von diesen 532 wurde fast die Hälfte zur Gründung der Gemeinde Seaford Town in Cornwall geschickt, der ersten von drei Gemeinden, die zur Besiedlung vorgesehen waren.

German Town Jamaika

Ortseingang von Seaford Town

Überleben in der jamaikanischen Wildnis

Lord Seaford gründete 1835 die gleichnamige Gemeinde und liess Deutsche anwerben, die die mittlerweile freien Sklaven unterweisen sollten, wie man in Familien lebt und sich mit Ackerbau und Viehzucht versorgt. Land sollten sie bekommen, fertige Häuser sollten bereits auf sie warten und für den Anfang waren ihnen üppige Verpflegungsrationen und ein kleines Wochensalär zugesichert worden. Als sie ankamen, waren erst 17 der Häuser fertig gebaut. Die fehlenden Häuser mussten die Siedler, neben ihrer 72-Stunden-Woche, selber bauen. Bei einer mageren Ration von 4 Pfund Maismehl, 1 Pfund Rindfleisch, 4 Pfund Mehl und 3 Pfund Salzfisch ein mühsames und kräftezehrendes Unterfangen.

Geschwächt von diesen Umständen und gebeutelt von Tropenkrankheiten wie Gelbfieber und Malaria starben von der ersten 250 Personen starken Siedlerwelle bereits über 30 in den ersten zwei Wochen und das Sterben nahm kaum ein Ende. Wen wundert es, dass baldigst nach Nordamerika weiterzogen. Die die geblieben waren, lernten wie man Bananen, Ingwer, Kakao, Kaffee und Maniok anbaut und konnten sich dann selbst versorgen. Noch heute zeugen «verenglischte» deutsche Namen auf Grabsteinen auf dem Friedhof in «German Town» von diesem Elend.

Viele Ortsnamen auf Jamaika lassen auf eine deutsche Besiedlung schliessen z.B. Bremen Valley oder Mount Holstein, Charlottenburgh, New Brunswick und Hessen Castle. An der Nordküste gibt es sogar einen Ort namens «Frankfort» und auch auf Jamaika liegt Potsdam ganz nahe bei Berlin. Dort findet man allerdings heutzutage keine deutsch geprägten Gemeinden mehr, die Einwanderer mischten sich fleissig mit der einheimischen Bevölkerung.
Nicht so aber in Seaford Town, einer kleinen Gemeinde im bergigen Regenwald des östlichen Zipfels vom Parish Westmoreland. Dort hielten sich bis heute hartnäckig die typisch europäischen Körpermerkmale wie blonde Haare, blaue oder grüne Augen. Dafür sorgten die «Heiraten untereinander», Cousin und Cousine zum Beispiel und manchmal auch Bruder und Schwester. Damit einhergehende mögliche Behinderungen der so entstandenen Nachkommen wurden zähneknirschend in Kauf genommen.

Deutsche Auswanderer auf Jamaika

Zu Besuch in Seaford Town auf Jamaika

Deutsche Handschrift ist ebenso in der Bauweise der Häuser zu erkennen, denn viele sind unterkellert. Auch die Religion ist beibehalten worden, die «Seaford’schen» sind katholisch und man trifft sich beim Kirchgang, Pater Lukasz ist aus Polen. Wir sind nicht gläubig und es war eher Zufall, dass wir an einem hohen katholischen Feiertag Seaford Town besuchten. Es war Ostersonntag und die kirchlichen Ostertraditionen werden auch auf Jamaika gepflegt. Wir wollten das kleine Museum zur Geschichte der deutschen Siedler anschauen, mussten aber auf den Mann mit dem Schlüssel warten und der war… richtig: In der Kirche. Also schauten wir uns ein bisschen auf dem Friedhof um und setzten uns dort auf die Mauer, bis die Messe vorbei war.

Deutsche Auswanderer aus dem Weserbergland

Tatsächlich waren unter den Kirchgängern viele recht hellhäutige, hellhaarige Frauen und Männer, die uns interessiert und freundlich ansprachen. Wie wir auf die Idee gekommen wären, «German Town» zu besuchen, woher wir kämen und vieles mehr wurden wir gefragt. Es war ein schönes Erlebnis, gegenseitiges Interesse zu spüren. Die Krönung war, als uns zu Ehren noch die letzten Brocken Deutsch rausgekramt wurden… Wir wurden sogar von einem Professor der Universität Michigan, der mit seiner Assistentin dort auf der Durchreise war für sein Projekt befragt.

Und dann durften wir endlich in das kleine Museum mit den letzten verbliebenen Zeugnissen der traurigen Vorgeschichte der Bewohner von Seaford-Town. Es war trotz seiner Winzigkeit sehr interessant, obwohl alles nur in Englisch beschildert und beschrieben war. Am Schluss verewigten wir uns noch im Gästebuch und entschädigten den Schlüsselmann dafür, dass wir ihm die Zeit geklaut hatten und das am Ostersonntag.

Verlorene Geschichte in Seaford Town auf Jamaika

Dieser Besuch hat sich bereits 2014 zugetragen, ist aber immer noch erzählenswert und angesichts der Schliessung des Museums (angeblich wegen Verfalls und Termitenschadens) brandaktuell. Bemühungen, dieses Stück jamaikanisch-deutsche Zeitgeschichte zu erhalten, sind wohl von wem auch immer in dieser Gegend nicht erwünscht. Versucht man da, ein unschönes Kapitel einfach auszulöschen? Fast 200 Jahre lang haben die Termiten nichts von den Exponaten wissen wollen und innerhalb von 3 Jahren plötzlicher Verfall?

Wie auch immer: Der Dokumentarfilmemacher David Ritter führte Gespräche mit Einwohnern von Seaford Town und hat eine Doku draus gemacht, die man sich unbedingt anschauen sollte, wenn man in die Geschichte von Seaford Town auf Jamaika eintauchen möchte.

 

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5 Kommentare

  1. Als wir Anfang der 90iger Jahre Seaford Town besucht haben, nannten die einheimischen Jamaikaner die Einwohner „the poor whites“. Es gab dort noch das Museum mit sehr interessanten Dokumenten. Viele Bewohner hatten noch deutsche Vornamen, sprachen aber kein Wort deutsch.

    • Hallo Ulrich, danke für deinen Kurzbericht. Ja, in den letzten Jahren scheint es immer mehr so zu sein, dass sich die Seaford’schen nicht mehr so gern als Deutsche oder deren Nachkommen sehen wollen. Wie in den anderen deutschstämmigen Siedlungen auf Jamaika längst passiert, strebt man auch in „German Town“ Verschmelzung mit der jamaikanischen Gesellschaft an. Ist wahrscheinlich in jeder Hinsicht gesünder. Spannend ist die Tatsache, wo es Menschen zu jeder Zeit hinverschlägt, aber allemal. Liebe Grüsse – Dörthe.

  2. Hallo Dörthe und Lars, Ihr seid nominiert für den Blogger Recognition Award! Gruß Tom https://wp.me/p8O5tv-1xS

    • Hallo Tom, vielen lieben Dank für die Nominierung. Wir freuen uns sehr darüber und dass dir unser Beitrag über die Deutschen in Seaford gefallen hat. Sobald ich wieder am heimischen PC bin, beschäftige ich mich mit dem Link. Herzliche Grüsse- Dörthe

  3. Ein spannendes Stück deutscher Geschichte! Während des 19. Jahrhunderts gab es zahlreiche Hungerjahre, die viele zum Auswandern ermutigten. So sind einige meiner Vorfahren aus Pommern nach Amerika ausgewandert. Solche Zeugnisse von Völkerwanderung sollten erhalten bleiben!

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