R wie Rastafari ODER Nicht jeder Dread ist auch ein Rasta


Lesezeit: 7 Minuten

Rastafari in Jamaika – Warum nicht jeder, der Dreadlocks trägt, ein echter Rasta ist

Hört man das Wort „Rasta“, hat jeder sofort ein Bild im Kopf. Die Vorstellung von Menschen mit lustigen „Rastazöpfen“ ist tief verankert. Trotzdem ist nicht jeder, der solcherart Frisur zur Schau stellt, auch gleich ein echter «Rastafari». In diesem Blogbeitrag erfährst du ein wenig darüber, was einen echten Rasta ausmacht und wie die Rastafari in Jamaika leben.

Dicke, verfilzte Haarsträhnen – oft unter einem Tam oder eng gewickelten Turban verborgen – wie sie die echten Rastas tragen, entstehen nicht mal «schnell in den Ferien». Dreadlocks sind nicht die Art von Frisur, die sich so manche/r als Urlaubssouvenir aus Jamaika oder von anderswo aus der Karibik mitbringt. Mit diesen «Braids» – geflochtene Zöpfe, die ganz nahe an der Kopfhaut sitzen – haben echte Dreads nichts zu tun. Dreadlocks entstehen, wenn man das Haar nicht mehr auskämmt und es so verfilzt. Dreadlocks sind für Rastafari das Symbol der Stärke und werden mit einer Löwenmähne gleichgesetzt

Warum tragen Rastafari Dreadlocks und was steckt dahinter?

Dreadlocks sind für Rastafari das Symbol der Stärke, sie werden mit einer Löwenmähne gleichgesetzt. Dreadlocks sind keine „Erfindung“ der Rastas, wie oft behauptet wird. Man findet sie in vielen Kulturen und sie werden bereits in der Bibel erwähnt:

1 Samuel 1:11 / LUT – … und gelobte ein Gelübde und sprach: Herr Zebaoth, wirst du deiner Magd Elend ansehen und an mich gedenken und deiner Magd nicht vergessen und wirst deiner Magd einen Sohn geben, so will ich ihn dem HERRN geben sein Leben lang und soll kein Schermesser auf sein Haupt kommen.

So bat die Mutter Samsons den Allmächtigen um einen Sohn und wurde mit einer späten Mutterschaft belohnt. Samson, dessen Haar ihm Stärke verleiht, verliebte sich in Delilah, die ihm im Schlaf die Haare schneiden liess, ihm dadurch seine sagenhafte Stärke nahm und so an die Phillister verriet:

Richter 16:19 / LUT- Und sie ließ ihn entschlafen auf ihrem Schoß und rief einem, der ihm die sieben Locken seines Hauptes abschöre. Und sie fing an ihn zu zwingen; da war seine Kraft von ihm gewichen.

Tacky Falls by boat

Bibelstellen zu diesem Thema gibt es viele, für Rastafaris relevant dürften unter anderem diese sein:

4 Mose 6:5 / LUT- Solange die Zeit solches seines Gelübdes währt, soll kein Schermesser über sein Haupt fahren, bis das die Zeit aus sei, die er dem HERRN gelobt hat; denn er ist heilig und soll das Haar auf seinem Haupt lassen frei wachsen.

3 Mose 21:5 / LUT- Sie sollen auch keine Platte machen auf ihrem Haupt noch ihren Bart abscheren und an ihrem Leib kein Mal stechen.

Wie die Religion der Rastafari in Jamaika entstand

Die Rastafari-Bewegung, welche keine Kirche in dem Sinne ist, wird als eine «christlich angelehnte Glaubensgemeinschaft mit einer eigenen Lebensweise» beschrieben. Rastafari erkennen «Jah» als Gott an, der in jedem Individuum lebt und die «eigene innere Göttlichkeit» widerspiegelt. Einige sehen in Haile Selassie die Reinkarnation von Jah auf Erden, andere sehen ihn eher als Propheten für die vollkommene innere Göttlichkeit.

Rastafari begann aber nicht einfach als eine Form des gegenkulturellen Ausdrucks oder des religiösen Glaubens. Es war ein Kampf für Gerechtigkeit durch entrechtete Jamaikaner, Landarbeiter und die einfachen Angestellten in der damaligen britischen Kolonie. Nach der Abschaffung der Sklaverei 1834 kam es immer wieder zu Unruhen, Streiks, Aufständen und anderen unschönen Zwischenfällen gegen die britische Herrschaft auf Jamaika.

So auch in den 1920er Jahren. Die Entrechteten verlangten – angestachelt durch einen gewissen Marcus Mosiah Garvey – mehr Unabhängigkeit und eine gerechtere Besteuerung. Dieser Garvey sagte angeblich sogar die Krönung eines schwarzen Königs in Afrika, der die Befreiung der Schwarzen bringen würde, voraus:

«Look to Africa, where a black king shall be crowned, for the day of deliverance is near.»

Was auch tatsächlich passierte – also die Krönung von Haile Selassie (ehemals Ras Täfäri Makonnen) zum äthiopischen Kaiser (Negusa Nagast), welche am 2.April 1930 stattfand. Haile Selassie wird von vielen Rastas als derjenige gesehen, von dem in der Offenbarung des Johannes die Rede soll. Der Name, den er sich selbst gab, bedeutet „Macht der Dreifaltigkeit mit göttlicher Abstammung“. Bis heute wird Marcus Garvey von vielen Rastafari auf Jamaika als Prophet der Rastafari-Bewegung gepriesen.

Lord of Lords – King of Kings

Schon kurz nach der Krönung Haile Selassies begannen jamaikanische Prediger wie z.B. Leonard P. Howell (welcher oft als erster Rasta bezeichnet wird), Joseph Nathaniel Hibbert Robert Hinds und Archibald Dunkley, auf den Strassen Jamaikas die «Göttlichkeit» des äthiopischen Kaisers zu verkünden. Dabei bezogen sie sich teilweise auf die Offenbarung des Johannes. Sie verbreiteten ihre Botschaft unabhängig voneinander, wodurch unterschiedliche Rastafari-Gruppen entstanden, unter anderem die Nyahbinghi, Bobo Ashanti oder die Zwölf Stämme Israels.

Die Prediger verbreiteten die Lehren der „Kebra Negast“, was ins Deutsche übersetzt „Die Herrlichkeit der Könige“ bedeutet. Das ist eine Ende des 13. Jahrhunderts n. Chr. in der altäthiopischen Sprache Ge’ez verfasste Schrift. Die Kebra Negast stellt die Verhältnisse der Könige der Bibel anders dar als in der Bibel selbst geschrieben. Von vielen äthiopischen Christen und Rastafari wird dies als gesicherte Darstellung angesehen. Weit verbreitet ist ebenso die Ansicht Haile Selassie sei ein Herrscher der salomonischen Dynastie mit Abstammung vom israelitischen König David.

Der Glaube, Selassie würde die Afrojamaikaner zurück nach Afrika führen fand weite Verbreitung. Viele der Strassenprediger wurden aufgrund ihrer antikolonialen Einstellung inhaftiert und sogar einige in psychiatrischen Anstalten eingesperrt. Trotzdem fand die neue Lehre der die Rasta-Bewegung immer mehr Verbreitung in der unteren Bürgerschicht Jamaikas und verbreitete sich auch teilweise in höheren Gesellschaftsschichten.

Regeln der Rastafari Religion

Rastafari leben nach strengen Regeln, die nicht nur ihr Äusseres betreffen

Körper und Geist „rein“ zu halten ist oberstes Gebot der Rastafari. So essen sie kein Fleisch, keine schuppenlosen Fische, trinken keine Kuhmilch und benutzen kein Salz oder künstliche Gewürze. Sogar Eier lehnen viele ab. Rastas trinken auch keinen Alkohol. Alles, was industriell hergestellt und verarbeitet wird, gilt als verpönt. Die Küche der Rastas dürfte besonders Veganern zusagen. Schon bei unserer allerersten Reise nach Jamaika wurden wir belehrt, dass I-tal Food nichts mit Pizza und Pasta zu tun hat, sondern sich auf die Zubereitung nach bestimmten Rasta-Regeln bezieht.

Callaloo, Ackee und Reis- gekocht ohne Salz, gewürzt mit Kräutern. So essen Rastas auf Jamaika

Strenge Regeln gelten auch für Frauen, die ein Rasta am liebsten in Röcke gehüllt sieht. Sie dürfen sich nicht schminken und sollen ihren Kopf bedecken. Es finden sich auch patriarchalische Strukturen, so wird z. B. der Frau die Pflicht auferlegt, ihren Mann und die Familie zu umsorgen und ihm treu zu sein – auch wenn er es selbst nicht ist. 

Allerdings leben nicht alle Rastas streng nach diesem Regelwerk und viele legen die Regeln aus, wie sie sie für sie passen. Der Anteil Rastafaris auf Jamaika ist nicht belegt, die Angaben schwanken zwischen ein und drei Prozent der Gesamtbevölkerung. Vielleicht ist es auch daher so schwer, eine Zahl zu nennen, weil die Rastafari-Bewegung keine eigenen Gotteshäuser errichtet. Ihren Glauben leben die eher zurückgezogen lebenden Rastafaris in Ritualen innerhalb ihrer Gemeinden aus. Samstag gilt als Sabbath, im Tabernacle wird dann Bibelkunde betrieben, gesungen und getrommelt.

Rasta-Talk – Die Ausdruckweise der Rastafari

Die Art, wie sich Rastafari in Jamaika ausdrücken, baut auf dem Jamaican Patois auf, worin viele Wortschöpfungen der Rastafari aufgenommen wurden. Speziell zum Jamaican Patois könnt ihr mehr in unserem Blogbeitrag «P wie Patois » nachlesen. Rastas versuchen mit dem so bezeichneten „I-yaric“ mittels spezieller Ausdrücke und Wendungen ihre Religion und Weltanschauung quasi bildhaft zu verdeutlichen. Dazu wird oft der Anfang eines Wortes durch «I» ersetzt.

I bezieht sich dabei auf die spirituelle Gemeinschaft von Mensch (man selbst) und Schöpfer, welche mit «I and I» verdeutlicht wird. Das auch von der breiten Bevölkerung Jamaikas verwendete „I-rie, bedeutet in der Rastafarisprache so viel wie «frei, glücklich, gut».

«You’re I-rie?» ist die Frage nach dem Wohlbefinden auf die man ebenfalls mit «I-rie.» antworten kann.

Rasta im Trenchtown Culture Yard

Was das „Heilige Kraut“ für Rastafari wirklich bedeutet

Apropos Wohlbefinden: Zum Wohlgefühl eines Rastafari in Jamaika gehört tägliche Meditation und das sich auseinandersetzen mit der vollkommenen inneren Göttlichkeit. Dazu wird oftmals Cannabis konsumiert, welches von Rastas auch als „Gotteskraut“ bezeichnet wird. Marihuana wird häufig auf rituelle Weise mit einer Chalice geraucht. Beim miteinander debattieren, dem so genannten „Reasoning“, geht die Chalice unter den Beteiligten herum. Zur Erklärung wird wieder die Offenbarung des Johannes bemüht:

Vers 22,2 LUT „[…]und die Blätter der Bäume dienen zur Heilung der Völker“

Hanf wird auch als healing of the nation, „Heilung der Völker“, bezeichnet.

Was gar nicht so abwegig ist, denn einige Cannabinoide, darunter THC, können das Wachstum verschiedener Krebsarten hemmen. Zum Beispiel Hautkrebs, Lungenkrebs, Brustkrebs, Prostatakrebs, Gebärmutterkrebs und Lymphome. Das sollen Studien an Zellen und Tieren gezeigt haben. Einige Cannabinoide, wie das natürliche Cannabidiol (CBD) aus Faserhanf, die keine psychischen Wirkungen hervorrufen, können jedoch das Wachstum von Tumoren hemmen.

Schon viele an Krebs erkrankte behandeln sich selbst mit Hanfölprodukten. Ein entsprechender Gesetzesentwurf, den der Bundestag am 19.01.2017 verabschiedet hat, ebnete der Cannabistherapie für schwer kranke Menschen den legalen Weg. Bis Ende 2022 soll Marihuana nun auch von allen anderen volljährigen Bürgern in Deutschland „kontrolliert“ erworben werden können. Ein entsprechender Gesetzesentwurf ist für die zweite Jahreshälfte 2022 geplant.

Auch Musik kann ja heilend wirken, wie eine Textzeile aus Bob Marleys „Trenchtown Rock“ besagt. „One good thing about music: When it hits you, you feel no pain“

Die Wurzeln des Reggae – Musik der Rastafari in Jamaika

Auch Musik kann bekantermasssen heilend wirken, wie eine Textzeile aus Bob Marleys „Trenchtown Rock“ besagt. „One good thing about music: When it hits you, you feel no pain“. Rhytmische Musik spielt für Rastafari bei ihren Zusamenkünften eine genauso wichtige Rolle, wie Marihuana.

Die Trommel gilt bei den Rastafari als Symbol für Afrika und Jahs Geist ist für sie in der göttlichen Energie der Trommel gegenwärtig. Die afrikanische Musik überdauerte die dunklen Zeiten der Sklaverei, weil deren motivierender Rhythmus manchen Plantagenbesitzern zupass kam. Auch durch die Maroons, die als entlaufene Sklaven in den Bergen lebten, konnte die afrikanische Kultur weitergepflegt werden. Die wichtigste Form der Rastafari-Musik ist Nyabinghi-Musik, welche bei den Grounations, den Lobpreisungszeremonien, gespielt wird.

Rastafari Trommeln im Wailers Museum Kingston Jamaika

Dazu gehören Trommeln, Singen und Tänze genauso wie das Gebet und das rituelle Rauchen von Ganja. Die Bezeichnung Nyabinghi stammt aus einer Bewegung in Ostafrika von Mitte des 19. bis Mitte des 20. Jahrhunderts. Eine andere Rolle in der Rastafari-Musik spielen die Burru-Trommeln, zuerst in der Pfarrei Clarendon, später in West-Kingston, von wo es in die dortige aufkeimende Rastafari-Gemeinde eingeführt wurde.
Die Rhythmen der Trommeln und der „Chants“ – der Gesänge – beeinflusste die Entstehung des Ska und somit auch des Reggae auf Jamaika.

Die ersten kommerziellen Aufnahmen von der Musik der Rastafari in Jamaika wurden mutmasslich von Count Ossie gemacht. In den späten 50er Jahren nahm er mit Prince Buster das Stück „Oh Carolina“ auf, welches das erste populäre Lied aus Jamaika war und einigen sicher entfernt bekannt vorkommt:

Solltet ihr den Link geklickt haben, habt ihr jetzt Musik auf den Ohren, die bestimmt eure Füsse und Hüften in Bewegung bringt. Also wollen wir euch nicht vom Tanzen abhalten und beenden damit den Exkurs in die Geschichte der Rastafari in Jamaika.


Habt ihr euch auch gefragt, was nun der Lizard im Titelbild mit Rastafari zu tun hat? Rastafari sehen in jedem, auch im kleinsten Lebewesen die vollkommene innere Göttlichkeit widergespiegelt. Die panafrikanischen Farben Grün, Gelb und Rot im Bild drücken die Verbundenheit mit dem Mutterland Äthiopien und Afrika aus.

Grün steht dabei für „Mutter“ Afrika,
Gelb für den natürlichen Reichtum des afrikanischen Kontinents
und Rot für das Blut der Menschen, das dadurch vergossen wurde.

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